Auch in unserer deutschen Sprache wird das englische Wort „Mindset“ immer öfter verwendet. Gemeint ist damit unsere Denkweise, die mit unserer sogenannten Mentalität zu tun hat.
Das Wort „Mentalität“ stammt aus dem Lateinischen (mens, den Geist betreffend) und bezieht sich dabei auf die besonderen Denk- und Verhaltensmuster einzelner Personen oder auch einer sozialen Gemeinschft, zum Beispiel von ganzen Teams im Bereich des Sportes.
Häufig heißt es, mit der richtigen Mentalität lassen sich Ziele schneller erreichen und erwünschte Erfolge leichter realisieren. Ist das tatsächlich so?
Einen bedeutenden Beitrag zur Denkweise von Menschen hat die US-amerikanische Psychologin Carol Dweck, eine führende Psychologin in der Mentalitäts- und Verhaltensforschung, geliefert.
Auf der Grundlage ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse geht sie in diesem Zusammenhang auf zwei unterschiedliche Arten der Mentalität ein. Sie unterscheidet dabei die fixe Denkweise und die Wachstumsdenkweise.
Demzufolge vermuten Menschen, die überwiegend dem fixen Denkstil folgen, dass ihre Grundfähigkeiten, also ihre Talente, ihre Intelligenz und ihre Fähigkeiten, festgelegte und somit nicht erweiterbare Eigenschaften wären. Sie meinen, dass sie lediglich eine gewisse Menge davon zur Verfügung hätten. Daraus folgt laut Dweck, dass das Ziel dieser Personen überwiegend darin bestehen würde, nach außen möglichst klug zu erscheinen, aber niemals dumm dazustehen.
Menschen, denen dagegen eine Wachstumsdenkweise zu eigen ist, gehen davon aus, dass ihre Fähigkeiten und Talente durch Beharrlichkeit und Anstrengung weiterentwickelt werden können. Sie nehmen an, dass jeder besser werden kann, wenn er etwas dafür tut. Doch wodurch entwickeln wir die eine oder die andere Denkweise?
Unsere Überzeugungen und das daraus resultierende Mindset entsteht auf zweierlei Wegen. Einerseits durch Einflüsse von außen, zum Beispiel durch erzieherische Prägungen in der Kindheit und Jugend, andererseits durch eigene intensive (Lebens-)Erfahrungen.
Dazu ein Beispiel:
Ein siebenjähriges Kind hilft will der Mutter nach dem Essen, den Esstisch abzuräumen. Auf dem Weg in die Küche stolpert das Kind, eine Tasse fällt zu Boden und zerbricht. Da es sich um „da gute Porzellan“ der Mutter handelte, verliert die Mutter die Nerven und schimpft mit dem Kind:
„Du dummes Gör, was du auch anfasst, machst du kaputt! Etwas Ungeschickteres als dich gibt es nicht! Geh‘ in dein Zimmer!“ Das Kind geht weinend fort, schämt sich und ist sehr verletzt.
Was hat das Kind in dieser Situation vermutlich gelernt bzw. über sich zu glauben begonnen?
Wir Menschen neigen dazu, einzelne unangenehme Erfahrungen in einem knappen (Glaubens-) Satz zusammenzufassen und so zu verallgemeinern, dass dieser Satz auch in anderen, zukünftigen Lebenssituationen angewendet werden kann, mit dem Ziel, schnelle Entscheidungen treffen zu können. Bei diesem Kind könnte diese Zusammenfassung in etwa so lauten: „Egal was ich mache, ich mache es ich falsch! Und wenn ich etwas falsch mache, werde ich ausgeschimpft und abgewertet. Da mir das wehtut, werde ich nie wieder etwas anrühren!“
Kurze Zeit danach stürzt dieses Kind durch einen eigenen Fahrfehler mit dem Fahrrad und verletzt sich. Es erinnert sich an das, was die Mutter gesagt hat und sieht deren Aussage bestätigt, dass es ungeschickt sei und nur über sehr begrenzte Möglichkeiten verfügen würde.
Sollten sich solche Erlebnisse im Leben dieses Kindes mehrfach wiederholen, kann ein dogmatisches, dysfunktionales Überzeugungssystem entstehen, wie es der Psychotherapeut und Begründer der Rational-Emotiven-Verhaltenstherapie (REVT), Albert Ellis, bereits in den 1960-iger Jahren formulierte. Irrational bedeutet dabei selbstschädigend und untauglich, also weder der Freunde noch dem Überleben dienend.
Stellen wir uns in dem beschriebenen Szenario eine ganz andere Reaktion der Mutter vor. Sie bleibt ruhig und zeigt dem Kind, wie es die Tasse besser hätte halten können, damit sie trotz des Stolperns nicht herunter fällt. Das Kind hört interessiert zu und ist einsichtig. Die Denkweise dieses Kindes wird positiv stimuliert im Gegensatz zum ersten Beispiel. Es schlussfolgert: „Ich kann aus Dingen, die schlecht gelaufen sind, etwas lernen und es in Zukunft besser machen!“
Demzufolge würde auch der Sturz mit dem Fahrrad anders bewertet werden. Zwar wäre er körperlich ebenso schmerzhaft, aber der innere Dialog würde ganz anders aussehen, denn das Kind wäre nun in der Lage, den Ablauf des Unfalls sachlich zu analysieren und dann eher zu der Erkenntnis gelangen, dass es auf der regennassen Fahrbahn nicht so stark bremsen hätte dürfen. Es beschließt, dies beim nächsten Mal zu beachten. Dieses Kind wäre damit zukünftig für die Wachstumsdenkweise vorherbestimmt.
Es ist in der Tat so, dass im Leben eines Menschen wenige intensive Lebenserfahrungen im Kindes- und Jugendalter ausreichen, um die Weichen für eine spätere destruktive Denkweise zu stellen, die oft erst im fortgeschrittenen Erwachsenalter beginnt, ernsthafte Probleme zu bereiten.
Derartige negative Lernerfahrungen sind gleichzeitig oft auch die Basis unbewusster Konflikte, die sich zu Befindlichkeitsstörungen und unerwünschten Verhaltensweisen und letztendlich auch zu psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel depressiven Störungen, Angststörungen oder Phobien, entwickeln können.
Hat sich ein solches dysfunktionales Glaubenssystem im Denken eines Menschen verfestigt, ist jener oft kaum davon zu überzeugen, dass seine seelischen Probleme mit seinem „Mindset“, also mit seiner individuellen Denkweise zu tun haben könnten. Aussagen aus dem sozialen Umfeld wie „Das kannst du doch! Das hast Du doch schon einmal geschafft!“ sind zwar freundlich gemeint, verfehlen aber meist ihre Wirkung.
Daher entwickelte Ellis die Technik der Hinterfragung (Disputation). Ellis erkannte, dass uns gezielte, lösungsorientierte Fragen viel stärker dazu anregen, unsere eigene problematische Denkweise zu erkennen, um diese anschließend korrigieren zu können. Auf diese Weise werden wir dann in die Lage versetzt, uns selbst zu beweisen, dass wir in dem jeweiligen Zusammenhang irren. Im besten Falle führt das dazu, dass der Befragte seinen Denkstil grundsätzlich überprüft und von der fixen zur Wachstumsdenkweise wechselt.
Diese Sicht- und Arbeitsweise hat sich auch im sogenannten systemischen Coaching und in der systemischen Therapie etabliert, mit der auch ich arbeite. Die systemische Herangehensweise wird zusätzlich durch eine Vielzahl weiterer Techniken ergänzt und kombiniert und hat sich in der Praxis bei der Überwindung der oben genannten fixen Denkweise als überaus wirkungsvoll erwiesen.
Insofern können und sollten diejenigen, die solche problematischen Überzeugungssysteme bei sich selbst entdecken oder inzwischen sogar mit handfesten seelischen Konflikten zu kämpfen haben, die Hilfe entsprechend geschulter Experten in Anspruch zu nehmen. Oft genügen wenige Interventionen, um deutliche, positive Veränderungen anzustoßen.