Nur jeder dritte psychisch Kranke erhält in Deutschland die Chance auf eine Therapie. Das berichtete Süddeutsche.de am 28.01.2014 und beruft sich hier auf den Präsidenten der Psychotherapeutenkammer (BPtK), Rainer Richter. „Psychisch kranke Frührentner werden praktisch abgeschrieben“, kritisierte er. Zuvor hatte die BPtK eine Studie in Berlin veröffentlicht, nach der in Deutschland immer häufiger abhängig Beschäftigte wegen psychischer Erkrankungen in Frührente gehen. Nahezu jede zweite neue Frührente würde heute psychisch verursacht (42 Prozent). Die Anzahl der Betroffenen stieg somit innerhalb von zehn Jahren um etwa 25.000 auf 75.000 im Jahr 2012. Die betroffenen Frauen und Männer sind dann im Durchschnitt erst 49 Jahre alt.
Dass diese rasante Zunahme psychischer Erkrankungen in erster Linie systemische und gesellschaftliche Ursachen hat und sicherlich noch weiter zunehmen wird, habe ich in meinem im Jahr 2009 erschienenen Buch „Sold out! der ausgebrannte Verkäufer“ bereits ausführlich untersucht.
Warum aber wird diesen in Not geratenen Menschen so wenig Hilfe zu Teil? Auch hier treffen wir wieder auf systemische Phänomene, die in diesem Fall vor allem das Gesundheitssystem in Deutschland betreffen. Seit Jahrzenten liefern sich Schulmediziner und Anbieter alternativer Heilmethoden, wie z.B. Heilpraktiker, Grabenkämpfe. Schulmedizinisch ausgebildete Ärzte werfen Heilpraktikern immer wieder vor, ungenügend ausgebildet und nicht wirksam zu sein. Heilpraktiker dagegen werfen der Ärzteschaft vor, zu sehr auf finanzielle Vorteile bedacht zu sein, zu schnell mit Medikamenten auf psychische Erkrankungen zu reagieren, statt geeignete Therapien einzuleiten und starke Lobbyarbeit zu betreiben. Wer aber hat Recht?
Tatsache ist, dass im deutschen Gesundheitssystem aktuell nur drei Verfahren für die von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Psychotherapie zugelassen sind: die Verhaltenstherapie, die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Analytische Psychotherapie. Dabei haben sich in den letzten Jahrzehnten vielfältige neue und überaus erfolgreiche Therapieformen entwickelt, wie z.B. die Neuro-Linguistische Psychotherapie, das Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) oder die Logotherapie u.v.a.m.
Obwohl sich deren Wirksamkeit und oft kürzere Behandlungsdauer in der Praxis weltweit millionenfach herausgestellt hat, weigern sich vor allem die gesetzlichen Krankenkassen, die Zulassungskriterien diesbezüglich zu verändern. Das Ergebnis ist, dass sich viele Schulmediziner diesen neuen Entwicklungen verschließen oder entsprechende Leistungen nur auf privatärztlicher Basis anbieten. Ganz unschuldig dürften die Ärzte selbst auch nicht sein, denn für eine Kurzzeittherapie 25 Stunden an Leistung abrechnen zu können, hat für das eigene Portemonai schon eine Bedeutung. Mit Methoden wie EMDR in deutlich kürzerer Zeit zum Erfolg zu gelangen, könnte finanzielle Einbußen bedeuten.
Und so gehen sie weiter, die Grabenkämpfe. Und die Last trägt zum Schluß der Patient. Er ist das schwächste Glied in der Kette. Dabei wäre es relativ einfach, einen gemeinsamen Weg zu finden. Am Beispiel der „Osteopathie“ lässt sich erkennen, wie eine Lösung aussehen könnte. Viele Patienten bestätigten, nach dem sie die Kosten für den Osteopathen zunächst selbst übernehmen mussten, die Wirksamkeit dieser Behandlungmethode. Und siehe da: Viele Krankenkassen haben umgedacht und übernehmen inzwischen die Kosten für derartige Leistungen, im Schnitt bis zu 400,00 Euro im Jahr mit einem Selbstbehalt bis zu 20%.
Warum ist ein solches Vorgehen im Hinblick auf psychische Erkrankungen nicht machbar? Es gibt in Deutschland viele sehr gut ausgebildete Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie, die mit alternativen Heilmethoden ihren Patienten schon jetzt sehr erfolgreich helfen. Die Ärzteschaft würde dabei nicht verlieren, denn wenn ein Betroffener heute teilweise bis zu einem Jahr auf einen Therapieplatz warten muss, könnte in diese Lücke der Heilpraktiker springen und so zumindest die erste Not des Erkrankten auffangen, ohne dass deshalb dem niedergelassenen Arzt ein finanzieller Nachteil entstünde. Die zunächst höheren Kosten würden ganz sicher durch die geringeren Frühverrentungen wieder ausgeglichen werden.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft bald darauf besinnen, dass es der Mensch ist, der zählt und nicht das Geld.
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